Montag, 23 November 2020 08:22

Ein Schiedsrichter und Projekt-Entwickler der den Amateur-Sport digitalisierte

geschrieben von

MockupGregor

Gregor Demmer hat viele Gesichter. Als Schiedsrichter des FSV Trier-Tarforst auf dem Fußball-Platz aktiv und als Gründer und Projekt-Entwickler in seiner Saarburger Agentur EURESA, neuen und spannenden digitalen Möglichkeiten auf der Spur. Die Corona-Krise traf auch ihn. Während der Schiedsrichterbetrieb derzeit ruht, gab er als Entwickler jedoch Vollgas und brachte ein Programm auf den Markt, dass zumindest ein Großteil der Fußballclubs in der Region revolutioniert hat. Im Interview stand er nun Rede und Antwort:

 

Fußball und Schiedsrichterei ruht

Hallo Gregor! Die Zeit ohne Fußball schmerzt und so ein wenig sind wir es ja schon gewohnt. Ähnlich wie im März, so ruht auch dieses aktuell das runde Leder bis auf Weiteres. Ein für dich verständliches Verbot den Kontaktsport samt Training für Groß und Klein zu unterbinden?

Gregor Demmer: Ich bin da hin- und hergerissen. Grundsätzlich bin ich schon der Meinung, dass man auch im Sport nicht um Maßnahmen herumkommt. Es ist ja nicht nur das Training oder Spielen auf dem Platz, sondern meist das Zusammenkommen davor, daneben und danach. Und genau hier hätte ich mir gewünscht, dass man einfach stärker reglementiert, aber nicht alles pauschal verbietet. Die meisten Vereine, bei denen ich unterwegs war, haben sich extrem viele Gedanken bezüglich Sicherheit und Hygiene gemacht. Hier hätte man meines Erachtens auch einerseits durch mehr Nachdruck für die notwendige Disziplin sorgen können, aber andererseits vielleicht auch durch eine noch stärkere Unterstützung viel erreicht. Sowieso bin ich ein Fan von kreativen und innovativen Ansätzen, bspw. die Verringerung der Spielerzahlen (und somit auch der Kontakte) oder auch das Hinwirken auf stärkere Nutzung von technischen Unterstützungen wie bspw. der Corona-Warn-App oder Vergleichbarem.

 

Eine Revolution für den Amateur-Fußball?

IMG 5129

Bedingt durch die Corona-Pandemie hast du mit deiner Firma EURESA – etwas ins Leben gerufen, was die Kontaktdatenerfassung im regionalen Amateur-Fußball komplett revolutioniert hat. Was hat es damit auf sich – wie kam es zu dieser Idee und wie kann dieses Programm auch nach Corona weiterhin Gültigkeit erlangen – bzw. werden Kassenhäuschen und Co. in Zukunft überflüssig sein?

Gregor Demmer: Ob wir die Kontaktdatenerfassung revolutioniert haben, weiß ich nicht, aber was wir gemacht haben, ist eine Chance ergriffen. Durch Corona wurden Maßnahmen wie Home-Schooling, kontaktloses Bezahlen, Cyber-Meetings etc. stark beflügelt, so dass die Akzeptanz für solche Dinge in der Gesellschaft grundsätzlich einen Push erlebt. 

Dies macht auch vor den Vereinen nicht Halt. Entscheider in den Vereinen, die vielleicht längere Zeit noch an traditionellen Abläufen festgehalten haben, öffnen sich mehr und mehr für digitale Möglichkeiten.

Wir kommen eigentlich vom Thema Ticketing. Die Kontaktdatenerfassung ist in unserem System, welches wir aufgesetzt haben, sowieso schon enthalten und war daher ein guter Anknüpfungspunkt, um die Vereine an unser System heranzuführen. Denn wir alle wissen und hoffen ja auch, dass die Kontaktdatenerfassung ein Ablaufdatum hat, weil sie nicht mehr notwendig ist.

Unsere Vision reicht dementsprechend viel weiter darüber hinaus. Wir glauben daran, dass in spätestens zehn Jahren ein Großteil aller Zutritte, sei es zum Zoo, zur Bahn oder eben auch zum Sportplatz, digital mit dem Handy erfolgen. Die Frage ist nicht, ob es passiert, sondern nur wann und wie. Und wir möchten mit unserem System diese Entwicklung mitgestalten. Wir glauben, nicht nur viele Probleme der Vereine damit lösen zu können, sondern auch neue Potentiale zu erschließen.

Die Zukunft wird digital

So ergibt sich zwischen Verein und Anhänger bzw. Zuschauer ein viel engerer Kontakt, weil er schon vor dem Spiel mit ihm in Kontakt treten und Informationen bereitstellen kann. Das „Heimspielheftchen“ könnte digital und interaktiv gestaltet sein. 

Grundsätzlich bieten sich für den Verein neue Möglichkeiten der modernen Präsentation, was auch im Hinblick auf Sponsoren von großem Interesse sein muss. Vereine müssen unserer Meinung nach neu denken, was ihre Attraktivität für Sponsoren und potentielle Mitglieder angeht, denn ohne diese geht es nicht, aber diese erwarten es auf lange Sicht.

 

„Unsere Schiedsrichter machen einen guten Job“

61956111 2491026180909227 2918853379155296256 n

Nebenbei bist du zudem auch Schiedsrichter des FSV Trier-Tarforst. Wie läuft es in dieser Branche derzeit und wie hältst du dich nun ohne Pfeife fit?

Gregor Demmer: Für unseren Kreis gesprochen kann man glaube ich sagen, dass die Schiedsrichter einen guten Job machen und auch gut organisiert sind.Viele gute und engagierte Leute, die sich mit Herzblut darum kümmern, dass jeden Sonntag genug Schiedsrichter im Kreis und Verband auf den Plätzen stehen. 

Mir fehlen die tieferen Einblicke, um sagen zu können, wie sich bspw. die Schiedsrichterzahlen entwickeln, aber mein persönlicher Eindruck ist, dass wir schon mittel- bis langfristig in eine Schiedsrichterknappheit reinlaufen, wenn sich nicht grundsätzlich etwas ändert. 

Auf neue Anwärter lastet sehr früh sehr großer Druck, dem sie nicht immer gewachsen sind. Es ist nachvollziehbar, dass da der ein oder andere schnell die Pfeife wieder an den Nagel hängt, aber das muss nicht sein. Ich sehe da vor allem die Vereine in der Pflicht, stärker bei Spielern und Zuschauern einzugreifen und den Blick auf den Schiedsrichter zu ändern.

Hat seine Linie als Schiedsrichter gefunden

Ich denke, ich kann mich schon zu den „älteren Hasen“ zählen und habe meine Linie gefunden. Allerdings braucht das einige Zeit und diese muss man jedem Neuschiedsrichter ermöglichen. Wenn er einmal seinen Stil gefunden hat, dann läuft es viel einfacher. 

Diesen Punkt müssen sie aber erreichen können. Auch wenn bei mir mal ein Pfiff nicht sitzt, dann sage ich oft zu Spielern, dass bei ihnen ja auch nicht jeder Schuss ein Tor ist und genauso muss es jeder sehen: einzelne Entscheidungen können „falsch“ sein, wenn aber die Gesamtleitung des Spiels fair und zielführend war, dann hat der Schiri einen guten Job gemacht. Wenn Lewandowski drei von sechs Schüssen versenkt, wird er nunmal auch gelobt. 

Fit halte ich mich, indem ich jeden morgen vor der Arbeit eine Stunde trainieren und regelmäßig laufen gehe. Mir ist vor allem die Schnellkraft und Beweglichkeit wichtig, weil sie es mir ermöglicht, auf dem Feld schnell gute Positionen einzunehmen und hoffentlich auch lange gesund zu bleiben.

 

„Eine Wiederaufnahme im tiefsten Winter macht keinen Sinn…“

Eine momentane Situation im Fußball die laut deiner Meinung nach wie lange noch andauert?

Gregor Demmer: Wenn man von dem Lockdown ausgeht, gehe ich davon aus, dass wir diesen noch bis in den Februar nächsten Jahres erdulden müssen. Eine Wiederaufnahme im tiefsten Winter macht wohl keinen Sinn. 

Ich hoffe und denke, dass es mit Blick auf den März wieder zu Trainingseinheiten kommen kann und dann der Spielbetrieb auch nicht mehr lange auf sich warten lässt. Mit Maßnahmen müssen wir wohl noch einige Zeit länger klarkommen, aber da sehe ich kein Problem. 

Es ist schon verrückt, wie schnell man sich an die Maske gewöhnt hat und auch der Faust- oder Ellenbogengruß fühlt sich nicht mehr so komisch an. Ich würde mir ja wünschen, dass wir noch etwas mehr Technik zulassen, die uns helfen kann. Aber da sind wir Deutschen ja bekanntlich immer etwas reservierter, vielleicht ändert sich das durch Corona mal ein bisschen.

 

„Es geht nur gemeinsam…“

Was erhoffst du dir für 2021 – bezogen auf deine Person, den Fußball und den Umgang mit der Corona-Pandemie?

Gregor Demmer: Für mich und grundsätzlich jeden erhoffe ich mir Gesundheit. Es ist einfach der Grundstein für alles. Ich gehe da ganz mit dem Satz „Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ Das sollten wir uns immer vor Augen führen und auch im Sport, sollte dies immer die höchste Maxime sein, egal wie heiß mancher Wettstreit auch geführt wird. 

Für den Fußball erhoffe ich mir vor allem im Amateurbereich, dass man einen Rhythmus findet, unter dem man spätestens ab dem Sommer wieder einen Regelbetrieb gewährleisten kann. Die gesellschaftliche Relevanz des Fußballs ist in meinen Augen extrem hoch, daher sollten wir ihn wieder zeitnah richtig in Gang setzen. 

Im Umgang mit der Pandemie erhoffe ich mir etwas mehr Gelassenheit, gerade hier in Deutschland, weil es uns hier einfach verdammt gut geht. Eigentlich haben wir ja alles da, was wir brauchen, um dagegen anzukämpfen: Unseren gesunden Menschenverstand. So banale Mittel wie die AHA-Regeln würde man sich häufiger in einer Krisenbewältigung wünschen. 

Und zu guter Letzt hoffe ich auch, dass einfach wieder viel mehr Menschen wahrnehmen, wie wichtig unsere Gesellschaft ist und wie eng wir miteinander verzahnt sind. In der heutigen Zeit ist ja der Trend zur individuellen Soloselbstverwirklichung sehr stark, doch dass dieser in eine Sackgasse führt, sollte jeder spätestens jetzt merken. Es geht halt nur gemeinsam, wie auch auf dem Fußballfeld.

 

Okay Gregor – ich danke dir für das Interview und wünsche dir weiterhin alles Gute!

Gregor Demmer: Danke ebenfalls!

 

André Mergener

Gelesen 1929 mal