Donnerstag, 14 Dezember 2023 09:21

Interview: Offizielle Stellungnahme zum Spielabbruch der A-Jugend vom 11. November

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Am 11. November diesen Jahres wurde das Heimspiel der Tarforster A-Jugend gegen die JFV Bitburg in der Nachspielzeit abgebrochen. Hier lesen Sie ein Interview – geführt von FSV-Pressesprecher André Mergener, mit dem A-Jugend-Trainer Markus Schwind und mit Tarforsts 1. Vorsitzenden Werner Gorges:


André:
Hallo Markus, das Urteil zum Spielabbruch ist seit letztem Freitag (01.Dezember) gesprochen. Der Vorfall hat in den Medien, der Tageszeitung und unter den Fußballern Schlagzeile gemacht. Du hast dich bisher mit öffentlichen Kommentaren völlig zurückgehalten. Warum war das so?

Markus: Zunächst vielen Dank Andre, dass du mir die Gelegenheit gibst, zu diesen Geschehen Stellung zu beziehen. Ich und auch alle Beteiligten haben uns zurückgehalten, weil dieser Vorfall uns sportlich und emotional sehr beschäftigt hat. In der Emotionalität sollte man keine Statements abgeben, nicht bei einem solchen Vorfall. Ich habe mich zeitnah mit Nicolai Klessinger, meinem Assistenten, Steffen Hilmer und Werner Gorges über das Vorgehen unterhalten. Uns war sofort klar, dass wir erst Informationen sammeln und Gespräche führen, intern den Vorfall aufarbeiten, dann den Dialog mit der dem FVR suchen und das Urteil abwarten. Und diese Informationen und alle dazugehörigen Schritte wurden zentral mit unseren 1. Vorsitzenden Werner Gorges besprochen. Dort, wo die Informationen zusammenlaufen, werden sie auch weitergegeben. In einem so wichtigen Fall ist es notwendig, Professionalität vor Polemik zu setzten. Wir wollten uns nicht an reißerischen Schlagzeilen oder Gegendarstellungen beteiligen.

André:
Aber der Fall hat doch ein öffentliches Interesse? Jeder Fußballer, den ich kenne, fragte mich danach.

Markus: Und mich auch André. Noch mal. Werner Gorges hat die richtigen Informationen sachlich nach außen getragen. Natürlich ist das Interesse groß, allerdings gab es an dem besagten Wochenende weitere Spielabbrüche im Jugendbereich. Hier wurde nicht berichtet. Wenn jeder seinen „Senf“ dazu beiträgt, kommen viel zu viele Kommentare und Äußerungen dazu. Ich bin für diese Art der Kommunikation nicht zu haben. Wir haben das sehr professionell gelöst und dafür sehr gute Rückmeldungen erhalten.

André:
Kommen wir zum Vorfall. Zwei Schläge ins Gesicht. Das ist heftig. Habt ihr nicht darüber nachgedacht, den Spieler zu suspendieren?

Markus: Ich hatte zwei unruhige Nächte, Nicolai auch. Wir haben viel gesprochen und Nicolais Profession als Psychologe und meine Tätigkeit an der Berufsschule und die Arbeit seit über 12 Jahren als Trainer helfen da sehr. Gewalt ist für uns nicht tolerierbar. Diese Form nicht, keine. Betrachtet man den Vorfall, dann bleibt im Kern die Gewalt. Zoomt man nach außen, sieht man Gründe, warum es dazu gekommen ist. Diese Gründe kann man berücksichtigen oder nicht.

André:
Was heißt das konkret? Das hört sich sehr ausweichend an.

Markus: Konkret heißt das, wenn man den Spieler suspendiert, dann ignoriert man die Gründe. Man verweigert die Arbeit mit ihm und nimmt ihm die Chance, gemeinsam mit ihm zu arbeiten und sich zu entwickeln. Joel ist ausgerastet und hat „rot“ gesehen, weil seine Mutter beleidigt und berührt wurde. Dass sie auf dem Platz nichts verloren hat, ist unbestritten. Sie hat in der folgenden Woche bereits ein Platzverbot vom Verein bekommen. Wenn ich diesen Spieler rauswerfe, werde ich meiner Funktion als Verein nicht gerecht, auch nicht meiner Funktion als Jugendtrainer. Ich bin immer noch der Meinung, dass wir mehr mit den Jugendlichen arbeiten müssen. Dinge reflektieren und aufarbeiten, um ein solches Verhalten auszuschließen und ihnen die Möglichkeit geben, daraus zu lernen.

André:
Wie habt ihr das erzielt?

Markus: Dienstags, 3 Tage nach dem Vorfall, waren alle Jungendspieler der A-Jugend zu einem Gespräch eingeladen. Wir haben den Vorfall aufgearbeitet und Erwartungen formuliert. Und auch Konsequenzen aufgezeigt, wie wir bei Missachtungen handeln. Transparenz ist hier wichtig. Häufig fehlt diese den Jungs, weil sie kaum noch Leitplanken oder Auseinandersetzung erleben. Wir haben aber auch die positiven Seiten herausgearbeitet.

André:
Was meinst du konkret mit positiven Seiten?

Markus: Viele Jungs haben sich perfekt verhalten. Sie waren deeskalierend und haben sich rausgehalten. Ordner waren sofort am Platz. Wir haben das Treffen einberufen, an dem alle Spieler anwesend waren. Wir haben reagiert und der Mutter ein Platzverbot ausgesprochen. Wir haben Kontakt mit dem FVR gehabt und unsere Stellungnahmen verfasst. Ich habe mich am nächsten Tag bei Hendrik Müller gemeldet und mich nach seinem Sohn erkundigt. Also es waren auch einige gute Schritte dabei, auch wenn nicht alles richtig lief.

André:
Wie bewertest du das Urteil?

Markus: Wir hatten großes Vertrauen in die Spruchkammer und ihren Vorsitzenden Markus Kohl. Und es hat sich bestätigt. Das Urteil für Joel ist transparent. Das ist wichtig. Wie man ein Urteil als „milde“ bezeichnen kann ist für mich fraglich. Ich mag eine solche Wertung nicht. Joel hat an diesem Tag einen brutalen Aussetzer gehabt, der so nie passieren darf. Es hat auch lange gedauert, bis er sich beruhigt hat. Aber: der Junge ist ein ganz ruhiger und friedlicher Mensch und er war selbst sehr erschrocken. Er hat sich mehrfach aufrichtig und ehrlich bei allen Beteiligten entschuldigt. Er liebt Fußball und darf fünf Monate kein Spiel machen. Sieben, wenn er gegen die Bewährung verstößt. Und er ist so gut, dass er auf dem Platz einiges einstecken muss. Und das hat die Spruchkammer sehr gut herausgearbeitet. Keine Milde, sondern ein aus meiner Sicht transparentes und nachvollziehbares Urteil. Wobei wir jede Strafe akzeptiert hätten.

André:
Und der Spielabbruch? Warst du glücklich über die Wertung?

Markus: Naja, auch die empfand ich als gerecht.

André:
Warum?

Markus: Weil die Situation geklärt war. Steffen Hilmer in seiner Funktion, als Ordner und ich waren, sofort am Ort des Geschehens. Unsere Spieler haben sich deeskalierend verhalten. Die Situation war erledigt und die rote Karte war die Strafe für die Tätlichkeit. Es bestand keine Gefahr für die Spieler oder den Schiedsrichter. Bitburg hat entschieden vom Platz zu gehen. Auch diese Gründe kann ich aus ihrer Sicht nachvollziehen. Das dürfen sie grundsätzlich nicht, daher finde ich es gut, dass die Kammer so entschieden hat. Sonst können in ähnlichen Situationen Mannschaften eine so „beschissene“ Situation ausnutzen. Wo ist da die Linie? Nur der Schiedsrichter kann sowas entscheiden.

André:
Apropos Schiedsrichter. Was sagst du zu ihm?

Markus: Der Schiedsrichter war 16 Jahre und wird in ein solches Derby in der A-Jugend Rheinlandliga geschickt. Heftig. Und er hat seine Sache brutal gut gemacht. Sein Sonderbericht war objektiv, entsprach den Tatsachen und war nicht parteiisch oder geschönt. Diesen Eindruck hat er auf der Verhandlung bestätigt. Das war professionell und unfassbar gut.

André:
War der Schiedsrichter ein Einzelfall?

Markus: Generell haben wir einige gute Schiedsrichter gehabt. Und sehr faire Mannschaften. Aber sie haben es oft nicht leicht. In der Partie gegen unsere Freunde von der JVF Vulkaneifel haben sich beide Bänke hervorragend verstanden, das Spiel war schnell und teilweise wurden harte Zweikämpfe geführt. Die Jungs haben das akzeptiert, die Trainer haben Ruhe bewahrt und der Schiedsrichter hatte alles im Griff. Nur die Zuschauer beider Seiten haben alles lautstark kommentiert. Das ist so unnötig und muss einfach nicht sein. Da ist der Job der Schiedsrichter echt kein einfacher. Aber unser Schiedsrichter war sehr gut und in dieser ungewohnten Situation professionell.

André:
Danke Markus, Werner – schön, dass du auch beim Interview bist. Wie bewertest du den Vorfall? Wie ist deine Meinung über die Kommunikation?

Werner: Zunächst einmal muss ich sagen, dass solche Vorfälle auf unseren Sportplätzen nichts zu suchen haben und auch bei uns von niemanden toleriert werden. Allerdings kann kein Verein sich davon freisprechen. Der Fußball lebt von vielen Emotionen und Einflüssen innerhalb und außerhalb der Spielbegegnungen. Innerhalb unseres Vereines ist seit Jahren festgelegt und geregelt, dass solche Vorgänge ausschließlich über den Vorsitzenden im Innen- und Außenverhältnis kommuniziert werden. Die interne Abstimmung und Kommunikation waren sehr gut. Wir haben uns auch bei allen Betroffenen unverzüglich entschuldigt und bedauern diesen Vorfall sehr. Enttäuscht und überrascht war ich von den beiden Schlagzeilen in der Presse.

André:
Wie siehst du den Vorfall aus Sicht des FSV Tarforst? Haben deine „Funktionsträger“ in eurem Sinne gehandelt oder würdest du Dinge heute anders lösen?

Werner: Auch im Nachgang betrachtet haben wir intern alles sehr gut aufgearbeitet -Trainer, Betreuer, Spieler und Vorstand-. Gut fand ich auch die Kommunikation bzw. der Austausch zwischen den beiden Vereinen der JFV Bitburg und dem FSV. Leider haben wir es versäumt unmittelbar nach dem Spiel ein kurzes Statement auf unserer Homepage zu veröffentlichen.
Der FSV Tarforst hat 24 Mannschaften im Spielbetrieb und seine Übungsleiter mit dem jeweiligen Betreuerteam leisten seit Jahren hervorragende Arbeit, dies muss auch einmal an dieser Stelle angeführt werden.

André:
Wie geht ihr in Zukunft mit solchen Situationen um? Ist das ein soziales Problem oder einfach nur eine Momentaufnahme?

Werner: Was uns hier wichtig war und ist, ist eine vernünftige Nachbetrachtung und Aufarbeitung mit allen Beteiligten, denn als Verein haben wir auch eine soziale Verantwortung gegenüber den Spielern und Verantwortlichen, der wir gerecht werden müssen. Unsere Gesellschaft neigt leider zu schnell dazu, immer nur Schuldige zu suchen und an den Pranger zu stellen, dies ist aus meiner Sicht der falsche Weg, um solche Vorgänge zu vermeiden. Wir hatten bereits vor der Verhandlung in Koblenz mit Arianit Besiri, Vizepräsident für sozial- und gesellschaftspolitische Aufgaben beim Fußballverband Rheinland eine Info-Veranstaltung für den 11.01.2024 terminiert, wobei er mit Übungsleitern sowie Vertretern der umliegenden Vereine unter dem Titel „Gewaltprävention im Fußball / Zivilcourage für ein besseres Miteinander“ in einen Dialogaustausch gehen will. Wir alle hoffen, dass es uns und der Gesellschaft gelingt, dass sich solche Vorgänge auf den Sportplätzen nicht wiederholen.

André:
DANKE Markus und Werner für Eure ausführliche Stellungnahme!